Jonatan Kurzwelly war für einen zweiwöchigen Forschungsaufenthalt vom 16. Februar bis 1. März 2025 mit seinem Projektteam in Oslo. Während des Forschungsaufenthalt am Centre for Advanced Studies (CAS) der Norwegischen Akademie der Wissenschaften legte das Team den Fokus auf die philosophischen und ethischen Dimensionen der historischen Sammlungs- und Wissenschaftspraktiken rund um menschliche Überreste.
Das multidisziplinäre Team des Forschungsprojekts „Over Their Dead Bodies“, bestehend aus einer Historikerin, einem Anthropologen, zwei Philosoph*innen und einem Sozialwissenschaftler, widmet sich der aktuellen Nutzung und Handhabung menschlicher Überreste in institutionellen Sammlungen. Provenienzforschung und Restitutionsvorhaben sind oft nicht nur mit spärlichen Informationen konfrontiert, sondern mit verschiedensten ethischen, konzeptionellen, methodischen und politischen Problemen: von der Gefahr des Rückgriffs auf ethnisch-rassische Klassifizierungen über Zuschreibungen soziokultureller Gruppenzugehörigkeiten bis hin zu ethischen Dilemmata bei Fragen der andauernden Aufbewahrung. Im Zentrum steht dabei die Frage nach dem Wesen menschlicher Überreste und wie deren Beantwortung je nach Standpunkt zwischen Objekt, wissenschaftlichem Beweis und Subjekt, Individuum oder auch Geist variiert.
Auf diese Spannungen zwischen kulturellen Perspektiven eröffnete der Besuch am CAS neue Perspektiven. Auf dem Programm stand unter anderem ein Austausch mit Vertreter*innen von Skjelettutvalget, dem unabhängigen nationalen Komitee Norwegens zur Überprüfung der Forschung an menschlichen Überresten, um sich über indigene Ansprüche innerhalb nationaler Grenzen zu informieren. Während des Aufenthalts arbeitete das Team zudem an einem Buchkapitel, das einen Schwerpunkt auf ethische Bedenken bei historischen wie zeitgenössischen Sammlungs- und Wissenschaftspraktiken legt.
Das Forschungsprojekt wurde 2024 durch das Network of European Institutes for Advanced Study (NetIAS) in das Constructive Advanced Thinking (CAT) Programm aufgenommen und arbeitet während der dreijährigen Förderung an verschiedenen Institutionen des Netzwerks. Nach einer Vorstellung im Kolloquium des Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) im vergangenen November und der fruchtbaren Zusammenarbeit am CAT wird das Forschungsteam nun als nächstes am Wissenschaftskolleg zu Berlin (WIKO) zu Gast sein.