African Intervention Politics

Die Forschungs­­gruppe African Intervention Politics erforscht Inter­ventionen afrika­nischer Regional­­organisa­tionen wie der Afrika­nischen Union (AU), der West­afri­kanischen Wirtschafts­­gemeinschaft (ECOWAS) oder der Entwicklungs­­gemeinschaft des südlichen Afrika (SADC). Diese Organi­sationen sind zu zentralen Akteuren bei der Herstellung und Erhaltung von Frieden und Sicherheit auf dem afrika­nischen Kontinent geworden. Trotz dieser friedens­politischen Relevanz mangelt es nach wie vor an systema­tischem Wissen über die Praktiken und Konse­quenzen afrikanischer Inter­ventionen. Entgegen der bisher stark von institutiona­­listischen und top-down Ansätzen geprägten Forschung nimmt die Forschungs­­gruppe eine Perspektive „von unten“ ein, bei der die alltägliche Erfahrbarkeit und das Politische der Inter­ventionen im Zentrum steht.

Bild zeigt ein Schild mit vier gemalten Köpfen mit unterschiedlichen Frisuren und Sonnenbrillen, daneben Abbildungen von Kamm und Schere. Die Überschrift ist "ECOMOG Hair Cut", außerdem sind die Köpfe beschriftet mit "Down Cut", "Ford", "Gentleman" und "Waves"

Dabei nimmt die Forschungs­­gruppe zwei Themenfelder in den Blick: Zum einen erforschen wir die Wissens­­ordnungen und Praktiken, die afrikanischen Inter­ventionen zugrunde liegen und mithilfe derer verschie­denste Akteure in Inter­ventionen Frieden und Ordnung herzustellen versuchen. Zum anderen untersuchen wir, welche Effekte diese Inter­ventionen auf die politische und soziale Ordnung in den betroffenen Ländern haben und wie verschie­dene gesell­­schaftliche Gruppen die Inter­ventionen erleben und bewerten. Methodisch arbeiten wir unter anderem mit Fokusgruppen- und Interview­­forschung, Survey-Forschung und teilneh­mender Beobachtung. Die verschiedenen Projekte der Forschungs­­gruppe werden in enger Zusam­­menarbeit mit Wissen­schaftler*innen aus Afrika durchgeführt.

Bild: SoulRider.222 / Eric Rider via flickr, CC BY-ND 2.0

Forschungsgruppenleitung

Antonia Witt

Antonia Witt

Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen

Sophia Birchinger

Sophia Birchinger

Hilda Koyier

Hilda Koyier

Jonas Schaaf

Jonas Schaaf

Assoziierte Forscher*innen

Omar M Bah

Omar M Bah

Sait Matty Jaw

Sait Matty Jaw

Adjara Konkobo

Simone Schnabel

Simone Schnabel

Studentische Hilfskräfte

  • Katharina Meyer zu Tittingdorf
  • Charlotte Wintz

Projekte

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022-2026) geförderte Kompetenznetzwerk ANCIP hat zum Ziel, (1) eine Online-Datenbank zu nicht-militärischen Interventionen der Afrikanischen Union (AU) und der regionalen Wirtschaftsgemeinschaften Afrikas (RECs) aufzubauen, (2) nicht-militärische Interventionspraktiken und -routinen spezifischer afrikanischer Akteure empirisch zu rekonstruieren und (3) die theoretische Debatte sowie die strategische Politikberatung zu diesen Themen voranzutreiben.

African Non-military Conflict Intervention Practices (ANCIP)

​​​Das Projekt untersucht die Rolle von Zwang in der Friedensförderung​ und fokussiert dabei insbesondere Akteure aus dem Globalen Süden. Konzipiert als Kooperationsprojekt wird „Coercion in Peacebuilding“ von drei Partnerinstitutionen, nämlich dem Institute for Peace and Security Studies (IPSS), Addis Abeba, Äthiopien, dem Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre (KAIPTC), Accra, Ghana, und PRIF umgesetzt.​

​​The Role of Coercion in Peacebuilding: Insights from Africa in an Inter-Regional Perspective​

Anhand von zwei Fallstudien - Burkina Faso (2014/15) und Gambia (2016/17) - untersucht dieses Forschungsprojekt, wie afrikanische Bürgerinnen und Bürger die Interventionen der Afrikanischen Union (AU) und der ECOWAS erleben und bewerten und was sie von den beiden regionalen Organisationen erwarten.

Lokale Wahrnehmungen regionaler Interventionen: AU und ECOWAS in Burkina Faso und Gambia

Die potenzielle Ausbreitung der Gewalt aus den Staaten der Sahelzone auf die gesamte Region, insbesondere auf die Küstenländer Côte d'Ivoire, Ghana, Togo und Benin, ist Gegenstand diverser Politiken. Aufbauend auf einer wachsenden Literatur zu antizipatorischer (internationaler) Governance untersucht dieses Forschungsprojekt verschiedene Rationalitäten und Praktiken der Prävention von gewalttätigem Extremismus in afrikanischen Küstenländern und die ihnen zugrunde liegenden Vorstellungen von (Un-)Sicherheit und Frieden. Dabei werden insbesondere die Wechselwirkungen zwischen epistemischer (Un-)Sicherheit (uncertainty) und diversen Praktiken zur Herstellung von Sicherheit (security) sowie die sich daraus ergebenden politischen Konsequenzen untersucht.

Gewalttätiger Extremismus in Westafrika: Internationale und lokale Antworten

Dissertationen

Die Vision der Afrika­nischen Union (AU) – „An integrated, prosperous and peaceful Africa, driven by its own citizens […]“ – sowie das Leitbild der West­afrikanischen Wirtschafts­gemeinschaft (ECOWAS) – „From an ECOWAS of States to an ECOWAS of Peoples“ sugge­rieren inklusive Entwicklungs­prozesse und -ziele der beiden Organisationen. Dies wird als die Absicht gewertet, ihre Gover­nance-Prozesse auf die Norm einer „people-centric gover­nance“ auszurichten. Als zentrale Akteure der African Peace and Security Architecture (APSA) können beide Organi­sationen zu Zwecken der Krisen­prävention, des Konflikt­managements sowie des Wieder­aufbaus und der Entwicklung nach Konflikten inter­venieren. Wissen­schaftliche Auseinander­setzungen mit militä­rischen Kompo­nenten afrika­nischer Konflikt­interventionen dominieren bisher die Wissens­generierung über afrikanische Interventions­politiken. Durch den „local turn“ breitete sich zudem ein Forschungs­strang aus, der liberales Peace­building kritisch betrachtet und das Handeln lokaler Akteur*innen in den Vorder­grund stellt. Das Dissertations­projekt zielt auf die Verflech­tungen des Lokalen und Inter­nationalen in afrikanischen nicht-militärischen Inter­ventionen ab, indem erarbeitet wird, wie und warum zivil­gesellschaftliche Akteur*innen als Partner*innen in Konflikt­interventionen der AU und ECOWAS inkludiert oder exkludiert werden. Mittels praxis­theoretischer Ansätze rekonstruiert die Arbeit die Praktiken der Inklusion und Exklusion zivilgesell­schaftlichen Akteur*innen anhand der beiden Fall­beispiele Mali und Guinea und trägt dazu bei, die „black box“ afrikanischer nicht-militärischer Interventions­politiken weiter zu öffnen. 

Dies wird zunächst durch leitfaden­gestützte Interviews mit relevanten Akteur*innen der AU und ECOWAS durch Feldforschungs­aufenthalte in Addis Abeba und Abuja gewährleistet und durch die Fallstudien veranschaulicht. In letzteren werden leitfaden­gestützte Interviews mit zivilen nicht-staatlichen Akteur*innen sowie partizi­pative Ansätze mit Fokus­gruppen durchgeführt. Neben dem Erfahrungs­wissen über Ein- und Ausschluss­mechanismen bei AU- und ECOWAS-Intervent­ionen werden Informa­tionen zur Rekonstruktion der Akteur*innen­landschaft durch soziale Netzwerk­analysen gewonnen und „communities of practice“, die den konzep­tuellen Rahmen Arbeit bilden, im Bereich afrika­nischer regionaler Konflikt­interventionen identifiziert.

Jonas Schaaf

Jonas Schaaf

Doctoral Researcher

In den vergangenen zwanzig Jahren haben die Afrikanische Union (AU) und die Wirtschafts­gemeinschaft West­afrikanischer Staaten (ECOWAS) erhebliche Handlungs­fähigkeit bei der Gewähr­leistung von Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent bewiesen indem sie politische Ordnungen und Lebens­welten gestalten. In der Interventions­literatur werden diese afrikanischen Inter­ventionen als kaum oder frei von Zwangs­mitteln geprägt dargestellt, was ihnen im Vergleich zu den umstritte­neren „westlichen“ Interven­tionen mehr Legitimität attestiert.

Das Dissertations­projekt stellt diese Annahme in Frage, indem es argu­mentiert, dass Inter­ventionen inhärent mit Zwangs­mitteln agieren, da sie auf eine nor­mative Krise reagieren und versuchen, Ordnung zu schaffen. Vorläufige Feld­forschung legt nahe, dass Zwang mehr­deutiger ist als seine übliche negative Konnotation glauben lässt und dass Wahr­nehmungen von Zwang entlang von Para­metern wie Raum, Positio­nalität und Zeit auseinander­fallen. Dabei gibt es einen Kipp­punkt zwischen legitimem und illegiti­mem Zwang, der in der Tat die Legi­timität der Inter­vention und den Versuch der regionalen Ordnungs­bildung prägt. Ausgehend von diesen Annahmen stellt dieses Dissertations­projekt folgende Fragen: Wie viel Zwang wenden afrikanische Inter­ventionen an? Was ist Zwang für wen und unter welchen Umständen? Warum fallen Wahr­nehmungen von Zwang auseinander und wie wirkt sich dies auf die regionale Ordnungs­politik aus?

Auf der Grundlage ethno­graphischer Forschungs­elemente wie Beobachtung, Immersion, (Nicht-)Eliteninterviews und Fokusgruppen­forschung in Gambia und Guinea-Bissau untersucht dieses Dissertations­projekt (1) die Wahr­nehmung von Zwang in diesen beiden Fall­studien, um aufzuzeigen, wie die von den Inter­ventionen Betroffenen den Zwangs­charakter der Inter­ventionen wahr­nehmen und was für sie Zwang darstellt. In einem Vergleichs­design zwei ähnlicher Fälle identifiziert dieses Projekt (2) Faktoren, warum diese Wahr­nehmungen auseinander­fallen, und (3) wie diese den Anspruch und die Legiti­mität regionaler Ordnungs­politik beeinflussen.

Sophia Birchinger

Sophia Birchinger

Doctoral Researcher

Publikationen (Auswahl)

  • How African Regional Interventions are Peceived on the Ground: Contestation and Multiplexity
    | 2024
    Witt, Antonia; Bah, Omar M; Birchinger, Sophia; Jaw, Sait Matty; Schnabel, Simone (2024): How African Regional Interventions are Peceived on the Ground: Contestation and Multiplexity, International Peacekeeping, 31: 1, 58–86. DOI: 10.1080/13533312.2023.2262922
  • Forging an African Union Identity: The Power of Experience
    | 2023
    Witt, Antonia (2023): Forging an African Union Identity: The Power of Experience, Global Studies Quarterly, 3: 3, 1–12. DOI: 10.1093/isagsq/ksad052
  • “Siding with the people” or “Occupying force”? Local perceptions of African Union and ECOWAS interventions in the Gambia
    | 2023
    Birchinger, Sophia; Jaw, Sait Matty; Bah, Omar M; Witt, Antonia (2023): “Siding with the people” or “Occupying force”? Local perceptions of African Union and ECOWAS interventions in the Gambia, PRIF Report, 3, Frankfurt/M. DOI: 10.48809/prifrep2303
  • Beyond formal powers: Understanding the African Union's authority on the ground
    | 2022
    Witt, Antonia (2022): Beyond formal powers: Understanding the African Union's authority on the ground, Review of International Studies, 48: 4, 626–645. DOI: 10.1017/S0260210522000067
  • The “Clubs of Heads of State” from Below
    | 2022
    Schnabel, Simone; Witt, Antonia; Konkobo, Adjara (2022): The “Clubs of Heads of State” from Below. Local perceptions of the African Union, ECOWAS and their 2014/15 interventions in Burkina Faso, PRIF Report, 14, Frankfurt/M. DOI: 10.48809/prifrep2214
  • Taking Intervention Politics Seriously
    | 2020
    Witt, Antonia; Schnabel, Simone (2020): Taking Intervention Politics Seriously. Media Debates and the Contestation of African Regional Interventions ‘from Below’, Journal of Intervention and Statebuilding, 14: 2, 271-288. DOI: 10.1080/17502977.2020.1736415
  • Studying African Interventions ‘from Below’
    | 2018
    Witt, Antonia (2018): Studying African Interventions ‘from Below’. Exploring Practices, Knowledges and Perceptions, South African Journal of International Affairs, Special Issue, 25: 1, 1–19. DOI: 10.1080/10220461.2018.1417904

Aktuelles

Antonia Witt organisiert Auftaktworkshop in Ghana
Antonia Witt und Sarah Brockmeier-Large auf dem Berlin Peace Dialogue 2024
Politisches Mittagessen mit El-Ghassim Wane
Antonia Witt beim Afghanistan-Dialogforum der Schader-Stiftung
Vier Doktorand*innen verteidigten kürzlich ihre Dissertationen
PRIF-Forscher*innen diskutieren lokale Perspektiven auf ECOWAS-Interventionen
Neuer PRIF Report entwirft praxisorientiertes Forschungsprogramm