Einmal mehr entfachen die Krise der liberalen Weltordnung und die jüngsten Konflikte die Debatte um das Völkerrecht: Welchen Stellenwert hat das Völkerrecht angesichts wiederholter Grenzüberschreitungen und militärischer Konflikte in der Ukraine, in Bergkarabach oder im Nahen Osten? Kann das Völkerrecht tatsächlich einen Beitrag leisten zum Aufbau einer globalen Friedensarchitektur oder handelt es sich lediglich um eine fragile Ordnung?
Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des neuen Heftes der Zeitschrift „Mittelweg 36 – Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung“, welches am 12. Juni 2024 erschienen ist. Unter dem Titel „Grenzüberschreitungen. Zur Soziologie der Weltrechtsordnung“ loten Autor*innen in verschiedenen Beiträgen die Chancen und Grenzen des Völkerrechts aus.
Gleich zwei Wissenschaftler*innen des PRIF tragen mit ihren Artikeln zu dieser Diskussion bei. In seinem Beitrag „Vertrauen und entgrenzte Gewalt. Zu einer »besonderen Konstellation der Moderne« auf inter- und transnationaler Ebene“ untersucht Hendrik Simon anhand von Praktiken der Kriegslegitimation, inwiefern das Vertrauen in das internationale Gewaltverbot gerade in Konflikten verhandelt wird.
Regine Schwab widmet sich in ihrem Beitrag der Veränderung bewaffneter Konflikte in den letzten Jahrzehnten. Unter dem Titel „Transformation des Krieges und Angriffe auf zivile Infrastruktur“ erörtert sie den Trend, im Kriegsgeschehen verstärkt zivile Einrichtungen anzugreifen, wodurch die Zahl indirekter Opfer militärischer Gewalt wächst.
In weiteren Beiträgen des Heftes analysieren Henning de Vries und Alfons Bora die verhaltenskoordinierende Leistung des Völkerrechts aus systemtheoretischer Perspektive und Jan-Philipp Reemtsma diskutiert die Auswirkungen von Rechtfertigungsbedürftigkeit von Gewalt auf zwischenstaatlicher Ebene. Im Beitrag von Sophie Löber steht die Möglichkeit des Völkerstrafrechts im Mittelpunkt, auf Akteure zu reagieren, die durch Untätigkeit oder Gleichgültigkeit Kriegsverbrechen Vorschub leisten. Abschließend rundet Henning de Vries das Heft ab, indem er die Fähigkeit des Völkerrechts diskutiert, zu stabilen Strukturen im Umgang mit politischen Krisen beizutragen.
Mehr Informationen zum Heft finden sich auf der Webseite des Verlags.