Das Narrativ der Selbstverteidigung bei Polizeieinsätzen hinterfragen

Blau-weißes Gebäude, vor dem Palmen stehen und mehrere Motorräder geparkt sind

San Ildefonso Police Station, Bulacan Province, Philippinen. Foto: Judgefloro via wikimedia commons, Public Domain

Neues PRIF Working Paper von Peter Kreuzer zur philippinischen Provinz Bulacan unter Dutertes Krieg gegen Drogen

Während des „Kriegs gegen Drogen“ von Präsident Rodrigo Duterte wurde die Provinz Bulacan zu einer der tödlichsten Zonen polizeilicher Aktivität. Das neue PRIF Working Paper No. 64 von Peter Kreuzer untersucht den Einsatz tödlicher Gewalt in dieser Phase. 

Anhand eines einzigartig detaillierten Daten­satzes zu Polizeieinsätzen von 2015 bis 2018 prüft die Studie, ob die offiziellen Narrative der Notwehr einer empirischen Über­prüfung standhalten. Sie führt eine „Top-down“-Metho­dologie zur Bewertung exzessiver tödlicher Gewalt ein, gestützt auf Indikatoren wie das Verhältnis von Getöteten zu Verwun­deten sowie die Rate der polizeilichen Opfer. 

Die Ergebnisse zeigen eine dra­matische Eskalation tödlicher Polizei­gewalt, mit kaum verwundeten Verdächtigen und nur minimalen Verlusten auf Seiten der Polizei, was darauf hindeutet, dass viele der angeblichen bewaffneten Auseinander­setzungen in Wirklichkeit außergerichtliche Hin­richtungen waren. In einem inter­nationalen Vergleich wird Bulacan mit über 30 nationalen und sub­nationalen Einheiten auf allen Kontinenten verglichen. Dabei zeigt es sich als einer der extremsten Ausreißer weltweit. 

Die Befunde deuten auf eine systemische Praxis exzessiver Anwendung tödlicher Gewalt hin, die nicht auf indivi­duelles Fehlverhalten, sondern auf Signale der nationalen Führung zurückzuführen ist. Diese auf dem syste­matischen Vergleich großer Fallzahlen basierte Forschung ergänzt Ansätze, die über detaillierte Analysen von Einzelfällen breitere Muster nach­zuweisen versuchen, mit einer skalierbaren empirischen Strategie zur Bewertung systemischer Polizeigewalt auf der Basis großer Fallzahlen. Sie zeigt, wie detaillierte nationale oder subnationale Daten umfassendere Muster von Macht­missbrauch sichtbar machen und offizielle Narrative über gerechtfertigte Gewalt­anwendung infrage stellen können – selbst bei fehlender qualitativer Evidenz auf Einzel­fallebene und unter Bedingungen weitreichender Straf­losigkeit.

Das Working Paper ist entstanden im Rahmen des Projekts „Demokratie jenseits legitimen Zwangs: Tödliche Gewaltanwendung durch die Polizei in den Philippinen und Brasilien“, das von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) gefördert wird. Mehr zum Projekt lesen Sie ebenfalls im neu erschie­nenen PRIF Jahresbericht 2024.

Download (pdf): Kreuzer, Peter (2025): Challenging the Narrative of Self-Defense in Police Operations: Bulacan Province under Duterte's War on Drugs, PRIF Working Papers No. 64, Frankfurt/M.