Täuschung und Forschung in der internationalen Sicherheitspolitik: Die Logik des epistemischen Kampfes vom Kalten Krieg bis zum Cyberkonflikt

In den letzten Jahren hat sich „Täuschung“ zu einem zentralen Problem der internationalen Sicherheitspolitik entwickelt, dem Fragen von Desinformation und Propaganda bis hin zur Manipulation von Informationen, Cyber-Subversion und Einflusskampagnen zugrunde liegen. Doch trotz eines allgemeinen politischen Konsenses darüber, dass Täuschung die Produktion von verlässlichem politischem Wissen gefährdet, bleibt sie ein überraschend marginales und unberücksichtigtes politisches Konzept. Während autoritäre Staaten Täuschung als mächtige Waffe der Staatskunst betrachten, sehen liberal-demokratische Regierungen darin zunehmend eine strategische Bedrohung, eine Gefahr für die Grundlagen des Staates, der Gesellschaft und der internationalen Ordnung – sogar für die menschliche Vernunft und die Wahrheit selbst. Doch selbst in Demokratien gibt es einflussreiche Argumente dafür, dass Täuschung ein notwendiges Instrument der Macht ist, auf das kein Staat verzichten kann. Dies deutet darauf hin, dass sowohl unsere praktischen als auch unsere theoretischen Bemühungen um die Erforschung internationaler Täuschungen tiefgreifende Folgen für die Sicherheitspolitik, die Demokratie und das Erforschen der internationalen Ordnung haben könnten.
Dieses Projekt untersucht die Beziehung zwischen internationaler Täuschung und der Suche nach politischem Wissen. Mit der Frage, warum und wie Täuschung zwar zu einem zentralen Sicherheitsproblem, aber nicht zu einem politischen Konzept wurde, verbindet es Archivrecherche mit konzeptioneller Analyse und verfolgt die verborgene Geschichte anglo-amerikanischer Täuschungskonzepte von ihrer Entstehung im Kalten Krieg bis zu ihrer Verbreitung in der Gegenwart. Anhand von vier Fallstudien internationaler „epistemischer Kämpfe“ – Geheimdienstwettbewerbe, strategische Wettkämpfe, diplomatische Krisen und Cyberkonflikte – wird argumentiert, dass Täuschung zu einem zentralen – wenn auch verborgenen – Sicherheitsproblem wurde, als internationale Akteure begannen, politische Forschung waffentauglich zu machen und die Methoden der Wahrheitssuche systematisch für die Suche nach gegnerischer Macht auszunutzen. Auf der Grundlage der Theorie der internationalen Beziehungen, der Nachrichtendienstforschung und der pragmatistischen Wissenschaftsphilosophie erklärt das Projekt, warum insbesondere die Politikwissenschaft damit kämpft, die epistemologischen und methodologischen Probleme der Täuschung zu lösen, und warum diese intellektuellen Fallen immer mehr in den Mittelpunkt der internationalen Sicherheit rücken.
Foto: Dan Asaki via Unsplash. Unsplash Lizenz.
Publikationen
- Rüstungsdynamiken: Rüstungskontrolle und Desinformation
| 2023
Daase, Christopher; Driedger, Jonas J.; Burck, Kristoffer; Fehl, Caroline; Wisotzki, Simone; Forsythe, Sam; Hach, Sascha; Jakob, Una; Schörnig, Niklas; Lambach, Daniel (2023): Rüstungsdynamiken: Rüstungskontrolle und Desinformation, in: onn International Center for Conversion (BICC)/Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)/Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)/Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) (eds), Friedensgutachten 2023, Bielefeld: transcript Verlag, 85-101.
Zur Publikation - Adversarial Abduction: The Logic of Detection and Deception
| 2024
Forsythe, Sam (2024): Adversarial Abduction: The Logic of Detection and Deception, in: Magnani, Lorenzo (eds), Handbook of Abductive Cognition. DOI: 10.1007/978-3-030-68436-5_32-1
Zur Publikation - Introduction to the Special Issue on Secrecy and Technologies
| 2024
Forsythe, Sam; Stevens, Clare (2024): Introduction to the Special Issue on Secrecy and Technologies, Secrecy and Society, 3: 1. DOI: 10.55917/2377-6188.1081
Zur Publikation - The war for the future
| 2020
Forsythe, Sam; Rößing, Anna (2020): The war for the future, New Perspectives. DOI: 10.1177/2336825X20935234