„Wir sind nicht allein“

Cover mit Titel in weißer Schrift vor schräg angeschnittener magenta-farbener Farbfläche.

Statement zur neuen Rolle Deutschlands und Europas nach der Abkehr der USA

Im Rahmen einer öffent­lichen Presse­runde wurde heute das Paper „Wir sind nicht allein: Wie Deutsch­land und Europa die Ab­kehr der USA für die eigene Stärke und eine neue Form der inter­nationalen Partner­schaftlichkeit nutzen können“ im Berliner Think Tank Das Pro­gressive Zen­trum vorge­stellt. Die Autor*innen Cathryn Clüver-Ashbrook, Nicole Deitelhoff, Anke Hassel, Anna-Katharina Hornidge und Wolfgang Schroeder ana­lysieren in dem neun-seitigen State­ment die Folgen des außen­politischen Kurs­wechsels der USA unter Präsident Trump und stellen Perspek­tiven für die neue Rolle Deutsch­lands und Euro­pas vor.

Einlei­tend um­reißen die fünf Autor*innen die gegen­wärtige wirt­schaftliche und außen­politische Situation Deutsch­lands: Das deutsche Friedens- und Wohl­standsmodell basiere auf der Export­stärke seiner Industrie und funktio­nierenden Sozial­partnerschaften. Ohne die Euro­päische Union sei die glo­bale Gestaltungs­macht Deutsch­lands angesichts der zu­nehmend musku­lären Politiken von China und den USA den­noch be­grenzt. Darum liege es in Deutsch­lands urei­genem Inte­resse, so die Autor*innen weiter, die euro­päische Inte­gration voran­zutreiben. Ein starkes Europa, das seine Sicher­heit selbst orga­nisieren kann, seine Werte lebt und seine Wirt­schaft fördert, ohne sich von offenen Märkten abzu­schotten, werde (wieder) zum inte­ressanten Partner für viele Mittel- und Niedrigein­kommensländer außer­halb des ehemals soge­nannten Globalen Nor­dens. 

Mit der Frage, ob die Welt vor dem Ende oder einem Neuan­fang einer regel­basierten Ord­nung stehe, leiten die Autor*innen die Ana­lyse der Rolle Euro­pas in der Welt über. Sie bilan­zieren, dass Euro­pa allein zu stehen droht, wenn sich die globale Ord­nung weiter in Richtung geopo­litischer Groß­machtstrategien und nach­lassender Regel­bindung ent­wickelt. Darüber hinaus hätten die geschei­terten mili­tärischen Inter­ventionen der letzten Jahr­zehnte die Glaub­würdigkeit des Westens beschä­digt. Auto­ritäre Mächte hätten sich die Angreif­barkeit des west­lichen Sys­tems zu Nutze gemacht. Es sei eine multi­polare Welt ent­standen, in der eine regel­basierte Ordnung wenigstens in Kern­bereichen aufrecht­erhalten werden müsse.

Aus­gehend von dieser Ana­lyse fordern die Autor*innen, dass Europa die Multi­polarisierung gestalten müsse. Dafür müsse zualler­erst die Inte­gration Europas voran­getrieben werden. Sie sprechen von einem „Delors-Moment“, um die Not­wendigkeit der Inte­gration und der Stärkung der Wettbewerbs­fähigkeit Euro­pas zu unter­streichen. Doch auch ein starkes, geeintes Euro­pa reiche nicht aus, so die Verfasser*innen, um gegen das Disrup­tions- und Konflikt­potenzial Russ­lands, Chinas oder der USA anzu­gehen. Es brauche vielmehr Allianzen und Partner­schaften, die weit über Europa hinaus­reichen.
 
Unter dem Titel „Was muss geschehen“ legen die Autor*innen im letzten Teil des Papiers ihre strate­gischen Empfeh­lungen für die zukünf­tige Positionierung Deutsch­lands und Euro­pas in einer multi­polaren Welt vor: 1. Um das eigene Politik-, Wirt­schafts- und Wohlstands­modell weiter­zuentwickeln, müsse die Bundes­republik ein ambitio­nierteres Engage­ment auf EU- und inter­nationaler Ebene an den Tag legen. 2. Die Euro­päische Union müsse gestärkt und das Poten­tial des Delors-Moments genutzt werden. 3. Partner­schaften mit Niedrig- und Mittelein­kommensländern sowie ausge­wählten Industrie­staaten müssen ausge­baut und vertieft werden. 

Die Ver­fasser*innen kommen aus verschie­denen wissen­schaftlichen Einrich­tungen, Stif­tungen und Think Tanks: Clüver-Ashbrook arbeitet als Senior Advisor bei der Bertels­mann Stiftung, Nicole Deitel­hoff ist Professorin für Inter­nationale Beziehungen und Theorien Globaler Ord­nungen an der Goethe-Universität Frankfurt und Direk­torin des PRIF – Leibniz-Insti­tut für Friedens- und Konflikt­forschung, Anke Hassel gehört als Vor­sitzende dem Wissen­schaftlichen Beirat von Das Pro­gressive Zentrum an und ist Professorin für Public Policy an der Hertie School, Anna-Katharina Hornidge ist Pro­fessorin für Politische Sozio­logie an der Universität Bonn und Direk­torin des German Insti­tute of Develop­ment and Sustain­ability (IDOS), Wolfgang Schroeder ist Vor­sitzender von Das Pro­gressive Zen­trum. 

Down­load des Papers