Politik und Praxis der Tatsachenfeststellung durch Internationale Organisationen

Innenansicht des Sitzungssaals des Menschenrechtsrates. Unter  einem Deckengemälde aus bunten Stalaktiten sitzen die Delegierten verschiedener Nationen.

Internationale Organi­sationen (IOs) reagieren auf Norm­verletz­ungen auf unter­schied­liche Weise, darunter Moni­toring, Peer-Reviews, Experten­berichte sowie Verurteil­ungen und Sank­tionen. Anders als dieses Reper­toire von „naming-and-shaming“-Strate­gien haben inter­nationale Tatsachen­feststellungs­missionen in der politik­wissen­schaftlichen Forschung zu IOs und Normen weniger Aufmerk­samkeit erhalten. Dies ist überraschend, da solche Missionen in den letzten zwei Jahr­zehnten immer häufiger von IOs einge­setzt werden, ins­besondere vom UN-Menschen­rechtsrat. Internationale Untersuchungs­missionen sind Experten­gruppen, die von IOs beauftragt werden, eine Konflikt­situation zu untersuchen, idealer­weise vor Ort, indem sie Fakten ermitteln und Vorwürfe von Norm­verletzungen über­prüfen. Sie sollen die Autorität der Inter­nationalen Organi­sationen stärken und durch die Ermittlung neutraler und objek­tiver Fakten zur Durch­setzung der Normen beitragen. Gleichzeitig arbeiten sie in einem Kontext zunehmender Politi­sierung von IOs und finden sich oft selbst im Kreuz­feuer der Kritik wieder. Dieses Projekt unter­sucht, warum und mit welchem Effekt IOs Tatsachen­feststellung­smissionen und ähnliche ad-hoc-Mechanismen mandatieren. Aufbauend auf Prinzipal-Agent-Theorien, konstrukti­vistischen Ansätzen in der IO-Forschung und kritischen (Rechts-)Theorien trägt das Projekt zu drei über­greifenden Fragen in den Inter­nationalen Bezieh­ungen und dem Völker­recht bei: Wie reagieren inter­nationale Orga­nisationen auf Norm­verletzungen und welche Rolle spielt die ad-hoc-Delegation an externe Expert*innen? Wie können Expert*innen die Anerken­nung ihrer Expertise sicher­stellen und wann gelingt es IOs diese in Autorität zu übersetzen? Wie können „weiche“ Durch­setzungs­mechanismen das Völkerrecht auch in Krisen­zeiten stärken? Das Projekt unter­sucht die Rolle der Tatsachen­feststellung durch IOs in verschiedenen Bereichen, darunter Menschen­rechte, globale Gesund­heit, Rüstungs­kontrolle und Nach­haltigkeit.

Mitglieder

Projektleitung

Max Lesch

Max Lesch

Publikationen

  • Contested Facts: The Politics and Practice of International Fact-Finding Mission
    | 2023
    Lesch, Max (2023): Contested Facts: The Politics and Practice of International Fact-Finding Mission, International Studies Review, 25: 3, 1–27. DOI: 10.1093/isr/viad034
  • Devianz als Vermittlung zwischen Fakt und Norm
    | 2022
    Lesch, Max (2022): Devianz als Vermittlung zwischen Fakt und Norm. Epistemische Praktiken und fact-finding internationaler Organisationen, Zeitschrift diskurs, 2022: 8, 12–26.
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  • From Facts to Norm Violations and Accountability? The Independent International Commission of Inquiry on Ukraine
    | 2023
    Dezfouli Asl, Farnaz; Lesch, Max (2023): From Facts to Norm Violations and Accountability? The Independent International Commission of Inquiry on Ukraine, PRIF Blog.
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