Kriegslegitimationen und Weltordnungskonzepte von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart
Das Projekt untersucht den Zusammenhang zwischen der (De-)Legitimation militärischer Gewalt und der Konstruktion normativer Weltordnungen in Vergangenheit (seit der Frühmoderne) und Gegenwart. Ausgehend von der Annahme, dass durch die Geschichte der internationalen Beziehungen hindurch (auch) zwischenstaatliche Gewalt stets rechtfertigungsbedürftig war, wird nach Kontinuität und Wandel des Umgangs mit Normen in der Kriegslegitimationspraxis von Staaten gefragt. Insbesondere wollen wir herausfinden, welche Muster des Verweises auf die internationale Ordnung sich aus der Legitimation von Kriegen ableiten lassen. Es geht also insbesondere darum, inwieweit sich politische Akteure bei der Legitimation von Kriegen auf internationale normative Ordnung(en) beziehen, inwieweit sie diese Ordnung durch ihre Bezugnahme prägen und, schließlich, inwieweit sie von dem beeinflusst werden, was sie als die „herrschende“ normative Ordnung begreifen. Ist unilaterale Gewalt also dem normativen Zwang der internationalen Ordnung unterworfen oder entziehen sich mächtige Akteure diesem? Lassen sich in der Legitimation und Skandalisierung von Gewalt „Fortschritte“ der normativen Bindekraft des Völkerrechts feststellen?
Obwohl die Rechtfertigung des Krieges konstitutiv für die Entstehung der modernen normativen Weltordnung ist, fehlt es an systematischer und vergleichender Reflexion über die Zusammenhänge zwischen der Rechtfertigung des Krieges und der Modellierung von Weltordnungen in Theorie und Praxis. Dies gilt insbesondere, aber nicht nur, für einen empirischen Vergleich gegenwärtiger Rechtfertigungsnarrative mit jenen im „vergessenen“ 19. Jahrhundert. Das Projekt setzt an dieser Forschungslücke zunächst als Publikationsprojekt an: Neben bereits vorliegenden Publikationen ist ein historisch-vergleichender Sammelband mit völkerrechtlichen, rechts- und politikhistorischen sowie politikwissenschaftlichen Beiträgen renommierter Wissenschaftler*innen der verschiedenen Disziplinen in der Vorbereitung.
Zudem soll aus dem Forschungszusammenhang ein größeres Projekt zu den hier skizzierten Fragen entwickelt werden.
Bild: Soldaten im Deutsch-Französischen Krieg. Gemälde von Augustin Chenu (1870): Les Trainards: effet de neige. Public Domain via Wikimedia Commons.
Publikationen
- A Century of Anarchy?
| 2024
Simon, Hendrik (2024): A Century of Anarchy? War, Normativity, and the Birth of Modern International Order, Oxford: Oxford University Press. - Aggression and the ‘Civilizational Turn’ in Russian Politics of International Law
| 2022
Simon, Hendrik; Mälksoo, Lauri (2022): Aggression and the ‘Civilizational Turn’ in Russian Politics of International Law An Interview with Lauri Mälksoo.
Zur Publikation - Turmbau zu Babel? Friedensarchitekturen in kriegerischer Zeit
| 2020
Brock, Lothar; Simon, Hendrik (2020): Turmbau zu Babel? Friedensarchitekturen in kriegerischer Zeit, in: Hirsch, Alfred/Delhom, Pascal (eds), Denkwege des Friedens: Aporien und Perspektiven. Erweiterte Neuausgabe, Freiburg: Verlag Karl Alber.
Zur Publikation - Between Sovereign Judgement and the International Rule of Law
| 2019
Brock, Lothar (2019): Between Sovereign Judgement and the International Rule of Law The Protection of People from Mass Atrocities, in: Albert, Mathias/Lang Jr., Anthony (eds), The Politics of International Political Theory: Reflections on the Works of Chris Brown, Houndmills: Palgrave, 87-116. - The Myth of Liberum Ius ad Bellum
| 2018
Simon, Hendrik (2018): The Myth of Liberum Ius ad Bellum Justifying War in 19th-Century Legal Theory and Political Practice, European Journal of International Law, 29: 1, 113-136.
Zur Publikation - Die Selbstbehauptung und Selbstgefährdung des Friedens als Herrschaft des Rechts
| 2018
Brock, Lothar; Simon, Hendrik (2018): Die Selbstbehauptung und Selbstgefährdung des Friedens als Herrschaft des Rechts Eine endlose Karussellfahrt?, Politische Vierteljahresschrift, 59: 2, 269-291.
Zur Publikation - Eigenmächtige Gewalt, zwingendes Recht: Zur Selbstbehauptung und Selbstgefährdung des Friedens als Rechtsordnung
| 2017
Brock, Lothar; Simon, Hendrik (2017): Eigenmächtige Gewalt, zwingendes Recht: Zur Selbstbehauptung und Selbstgefährdung des Friedens als Rechtsordnung, PRIF Working Paper, 35, Frankfurt/M.