In der vergangenen Nacht wurde durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin der Angriff auf einen unabhängigen und souveränen Staat angeordnet. Dem Angriff ging keine Aggression gegenüber Russland voraus. Alle Versuche Russlands, eine Rechtfertigung aus humanitären Gründen oder als Friedensmission zu rechtfertigen, sind eine durchsichtige Instrumentalisierung internationaler Normen. Der Beginn dieses Krieges ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts, der nicht ohne Folgen bleiben darf. Das anhaltende und bevorstehende menschliche Leid vieler Ukrainer:innen und Russ:innen durch die Entscheidung Wladimir Putins sowie durch das Verhalten seiner Zuhelfer:innen und der russischen Regierung markiert eine verheerende Tragödie.
Es müssen jetzt harte Sanktionen gegenüber Russland in Kraft gesetzt werden. Die Zeit der Skalierungen ist vorüber. Gleichwohl werden Sanktionen allein die Krise nicht lösen, und Russland auch kaum kurzfristig zu einer Veränderung seiner Politik bewegen. Umso wichtiger ist die Einbettung von Sanktionsmaßnahmen in eine multilateral abgestimmte Diplomatie. Sanktionen sind dann erfolgreich, wenn sie abgestimmt und einheitlich von einer möglichst großen Gruppe von Staaten angedroht oder verhängt werden und es müssen immer wieder Möglichkeiten geschaffen werden, zu deeskalieren, indem Foren und Kanäle für Verhandlungen offenbleiben oder neue geöffnet werden.
Die Gefahr der aktuellen Krise liegt nicht zuletzt darin, dass Diplomatie, Kooperation und Vertrauen generell eine Absage erteilt wird. Die Behauptung, deutsche (und europäische) Vertrauensseligkeit habe den Westen in diese Lage gebracht und es wäre besser gewesen, Russland konsequent als Gegner zu behandeln, ist geschichtsvergessen. Ohne die Politik der gemeinsamen Sicherheit wäre Deutschland heute nicht vereint, wären zahlreiche Staaten Osteuropas heute nicht Demokratien und wäre die nukleare Rüstungsspirale nie angehalten worden. Gemeinsame Sicherheit ist möglich und kooperative Friedens- und Sicherheitspolitik ist kein Fehler, nur weil Wladimir Putin gerade dabei ist, die Architektur europäischer Sicherheit zu zerstören.
Keine Frage, einen schnellen Weg zurück zur gemeinsamen Sicherheit, zur friedens- und sicherheitspolitischen Ordnung, wie wir sie kannten, wird es nicht geben. Zu tief sitzt der Schock und der Vertrauensverlust. Europa- und globalpolitisch sind wir zurück auf square one, nur unter anderen Bedingungen, weil mit China eine weitere Großmacht mit von der Partie ist.
Die große Herausforderung für die Zukunft der internationalen Beziehungen ist der Aufbau neuer Kooperationsstrukturen – in Europa und in der Welt. Solche Strukturen werden zunächst ganz basalen Charakter haben und auf bloßer Abschreckung basieren. In einem weiteren Schritt kann man, wie im Kalten Krieg, zur friedlichen Koexistenz übergehen, was bedeuten würde, die Herrschaftsansprüche der Gegenseite anzuerkennen und auf gegenseitige Destabilisierung zu verzichten.
Ein weiterer Schritt wäre der Übergang zu einer kooperativen Ordnung gemeinsamer Sicherheit und geteilter Werte. Dass eine Entwicklung auf diesem Wege möglich ist, mag manchem in der gegenwärtigen Krise schwer vorstellbar erscheinen. Aber die Geschichte des Kalten Krieg zeigt, dass so eine Entwicklung möglich ist. Und die Aufgabe der Friedens- und Konfliktforschung ist, auf diese Möglichkeit hinzuweisen und sie mitzugestalten. Das Ende des Friedens darf nicht das Ende der Friedenspolitik sein. Im Gegenteil muss er der Beginn eines neuen Nachdenkens über die Zukunft einer europäischen und globalen Friedensordnung sein.
Eine ausführlichere Analyse der aktuellen Situation findet sich auf dem PRIF Blog.