Wie sind Einzelinteressen gegen die Erwartungen einer Wertegemeinschaft abzuwägen? Der Fall Libyen hat die deutsche Regierung vor eben diese Frage gestellt und sie hat sie laut Harald Müller nicht nur falsch beantwortet, sondern sich dabei moralisch und außenpolitisch in die Isolation manövriert. Die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung zur VN-Sicherheitsratsresolution 1973, die, mit Einschränkungen, militärische Hilfe für das libysche Volk angesichts drohender Gewalt durch Diktator Gaddafi legitimierte, hat die Reputation Deutschlands nicht nur bei seinen Partnern in NATO und EU, sondern der gesamten Welt nachhaltig beschädigt. Gab es dennoch plausible Gründe, sich zu enthalten und nicht an den militärischen Aktionen zur Durchsetzung einer Flugverbotzone zu beteiligen?
In HSFK-Standpunkt 2/2011 "Ein Desaster. Deutschland und der Fall Libyen. Wie sich Deutschland moralisch und außenpolitisch in die Isolation manövrierte" greift Harald Müller die deutschen Gegenargumente auf, stellt ihnen mögliche Alternativen gegenüber und zählt kopfschüttelnd die Schäden auf, die durch das deutsche Nein entstanden sind: Isolation Deutschlands in der EU und der NATO, Schädigung der Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik der EU, Brüskierung und dadurch innenpolitische Schädigung Präsident Obamas und nicht zuletzt mitmenschliches Versagen. Am Ende bleibt die Frage, warum sich Deutschland ausgerechnet dort enthält, wo ein so selten vorhandener universaler Konsens der internationalen Gemeinschaft erreicht werden konnte.
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