Die Zivilmacht Deutschland und die Enttabuisierung des Militärischen


| 2005
Geis, Anna (2005): Die Zivilmacht Deutschland und die Enttabuisierung des Militärischen, HSFK-Standpunkt, Nr. 2.

„Nie wieder Krieg!“ wurde vielerorts in der Wiederbewaffnungsdebatte der 1950er Jahre skandiert. Auch später blieb die Parole noch lange populär – und dies nicht nur auf Ostermärschen. Erst seit einiger Zeit ist sie seltener zu hören. Zugleich deuten 43 Auslandseinsätze der Bundeswehr seit der Wiedervereinigung Deutschlands darauf hin, dass das Tabu von deutschen Soldaten im Ausland in der Bevölkerungsmehrheit gebrochen scheint.

Überwunden wurde mit dieser Entwicklung nicht nur die spezielle, historisch bedingte Abneigung der Deutschen gegen den Krieg, sondern auch die als allgemein in Demokratien angenommene Zurückhaltung gegenüber militärischen Mitteln. Doch wie konnte die Zivilmacht Deutschland sich in so kurzer Zeit von ihren einstigen Prinzipien verabschieden, ohne dass ein Großteil ihrer Bürgerinnen und Bürger sich darüber empörte?

Anna Geis beleuchtet den Wandel des Kriegsbildes und des deutschen Rollenbildes sowie den Aspekt der Bündnissolidarität. Anhand der im Jahr 2003 verabschiedeten Verteidigungspolitischen Richtlinien diskutiert sie zudem die Veränderungen im Verteidigungs- und Sicherheitsbegriff. Dabei stellt die Autorin fest, dass sich die Rechtfertigungsmuster für Auslandseinsätze seit 1990 gewandelt haben. Dadurch ist eine Kluft zwischen dem erklärten friedenspolitischen Anspruch und der außenpolitischen Wirklichkeit entstanden. Denn warum sollte eine „Großmacht“ nicht zugleich eine „Friedensmacht“ sein?